Antiquariat

Tobias Müller

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Würzburg - "Würzburg.", um 1830.

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Best.Nr. 11302

Gesamtansicht von Südwesten. Lithographie von Gustav Kraus, um 1830. 25,8 x 41,4 cm. - Glatt und weitgehend sauber; ein nicht das Bild betreffender Riß restauriert. Dekoratives und seltenes Blatt. - Muth, I 69; Pressler 185. - Gustav Kraus fertigte eine lithographische Serie von 23 bayerischen Stadtveduten nach Aquarellen von Heinrich Adam. Sie erschienen erstmals um 1828 bei Lacroix in München, wo der in Passau geborene Kraus auch ansässig war. Bei diesem Blatt handelt es sich wahrscheinlich um ein Exemplar aus einer wenig späteren Auflage, die bei Selb und Zach gedruckt wurden. Es differiert zur Erstausgabe leicht in der figürlichen Staffage des Vordergrundes und im Maß. - Gustav Kraus: Passau 30.8.1804 - 15.11.1852 München. Der Vater war bayerischer Leutnant. Gustav hatte noch 2 Geschwister, Friedrich Wilhelm und Friederika Christina. 1812 wurde der Vater nach Donauwörth versetzt, wo er allerdings 1815 mit 56 Jahren verstarb. Die Mutter zog mit den Kindern nach Rothenburg ob der Tauber, sie lebte jedoch auch nur bis 1817. Ein Onkel nahm sich von nun der Kinder an. 1824 siedelte Gustav Kraus dann nach München über. Nach seinen autodidaktischen Anfängen in Rothenburg besuchte er jetzt die Landschafterklasse in der Akademie der Künste unter Wilhelm von Kobell bis zu deren Schließung im Jahr 1826. Er wurde Mitglied des Münchner Kunstvereins, eine Vereinigung der Künstler, die sich durch die Akademie und den Kronprinzen nicht gefördert fühlten, weil diese, angeführt durch Peter Cornelius, der Historienmalerei den Vorzug gaben. An den jährlichen Ausstellungen des Vereins nahm er mit Städteansichten teil. 1835 war er in der Lage in München ein Grundstück mit Haus zu kaufen, ein Jahr später erhielt er das Münchner Bürgerrecht. Er heiratete die 22-jährige Maria Anna Kunigunda Wanner, woraus der Sohn Joseph Friedrich hervor ging. Bis zu seinem Tod war Gustav Kraus hauptsächlich in den bayerischen Gegenden tätig. - Bildbeschreibung und -analyse: Der Standpunkt des Malers befand sich auf dem Nikolausberg über der Stadt, wohl etwas tiefer als das Käppele. Man sieht die etwas höher liegende Festung als beherrschendes Element des linken Bildteils, die Stadtsilhouette wird durch die zahlreichen Türme bestimmt, die Residenz ist schwach erkennbar. Die von Balthasar Neumann errichtetete Mainkaserne bildet eine einheitliche Front zum Main. Im Vordergrund befinden sich Weinbergsanlagen und 2 Frauen in Tracht. Im Bildaufbau läßt sich eine klare Abtrennung des Vordergrundes erkennen. Die Weinbergsmauern bilden eine klare Trennlinie, was durch die Verschattung des Vordergrundes und der dadurch auftretenden deutlichen hell-dunkel-Linie verstärkt wird. Ähnliches läßt sich in der Münchner Gesamtansicht (Pressler 7) ausmachen. Der Mittelgrund wirkt in diesem Bild eher bescheiden und dunkel, und läßt sich durch die Bastionen um St. Burkard beschreiben. Umso deutlicher dann wieder die Darstellung der eigentlichen Stadt. Der Main setzt eine klare Trennung für das Auge, sodass die Stadt in den eigentlichen Hintergrund gesetzt wird. Vor allem die langgezogene Mainkaserne trägt zu diesem Eindruck bei. Die Hügelkette am Horizont bildet den Schlußpunkt. Die Verarbeitung dieses Bildaufbaus erfolgt, ebenso wie in der Münchner Darstellung, nicht schematisch hintereinander. Die Konstruktionslinien laufen diagonal von der Seite ins Bild und weisen so auf das Zentrum der Stadt um den Dom. Besondere Bedeutung kommt hier der Verwendung von Licht und Schatten zu. Es ist auffällig, wie der Vordergrund und die Festung verschattet sind, während die Stadt und da vor allem der Dom in der Abendsonne erleuchten. - Versucht man diese Konstruktion ein wenig zu interpretieren, so fällt als erstes die starke Ausrichtung auf den Dom aus, auch wenn dieser eher unscheinbar neben der Neubaukirche auftaucht. Der Turm der Universitätskirche ist schließlich der Einzige, der die Hügelkette deutlich durchbricht und in den Himmel hinein ragt. Aber das Licht und die Ausrichtung der Komposition spricht für die hohe Bedeutung, die Kraus dem Dom gegeben hat. Dies könnte darin begründet liegen, dass Kraus die starke Bedeutung der Kirche für die Stadt in ihrer Geschichte und Gegenwart dokumentieren wollte. Ein zweiter Aspekt ist in dieser Komposition herauslesbar. Die dunkle Gestalt der Festung steht drohend über der hellen Stadt. Dieses Spannungsverhältniss war prägend für Würzburg. Denn der Bischof als Landesherr hat jahrhundertelang die Stadt in seinem Knebel gehabt. Die Burg war nicht nur Schutz für die Bürger, sondern auch Gefahr. Kraus hat deshalb wohl bewußt diesen nicht so häufig benutzten Standort für sein Bild ausgewählt. Ihm ist eine Komposition gelungen, die klar strukturiert ist, jedoch nicht langweilt. Sie hat ihm Bildaussagen ermöglicht, die die Charakteristik der Stadt hervorheben.